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Was ist Psychoanalyse ?


... eine Wissenschaft

Die Psychoanalyse untersucht mit verschiedensten wissenschaftlichen Methoden unsere bewusste und unbewusste innere und sehr subjektive Welt aus Gefühlen, Fantasien, Wünschen und Vorstellungen sowie deren Verbindung zu unserem Verhalten, zu unserem körperlichen Befinden und zu unseren Beziehungen.

 

Die Psychoanalyse hat eine eigene, damals revolutionäre Entwicklungstheorie für die psychische Entwicklung des Menschen von Geburt an aufgestellt und durch eine  Persönlichkeitstheorie und Krankheitslehre ergänzt, die den Versuch machen, über eine deskriptive Klassifikation hinaus Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten für psychische Erkrankungen zu beschreiben. Freud, seine Kolleginnen, Kollegen und Nachfolger entdeckten die große Bedeutung unserer frühesten, späteren und aktuellen Beziehungserfahrungen für unser eigenes psychisches Funktionieren bei der Bewältigung von inneren und äußeren Anforderungen und Konflikten. Solche Konflikte durchlebt jeder Mensch und sie beeinflussen unsere Gefühle, Fantasien, Wünsche und unser Denken sowohl aktuell als auch in unserer gesamten Persönlichkeitsentwicklung.

 

Über hundert Jahre nach ihrer Geburtsstunde in Wien hat die Psychoanalyse internationale Verbreitung gefunden und eine vielfältige Weiterentwicklung erfahren, z.B. durch die Selbstpsychologie, Objektbeziehungstheorie und die Ich-Psychologie sowie die Säuglings- und Bindungsforschung oder die Theory of Mind. Einige zentrale psychoanalytische Annahmen und Konzepte werden mittlerweile durch die neuesten Entdeckungen der Neurowissenschaften unter Verwendung bildgebender Verfahren gestützt.

 

Die Psychoanalyse hat auch andere Wissenschaften befruchtet und beeinflusst, u.a. die Philosophie und Soziologie, Anthropologie, Biologie und natürlich die Psychologie und die Medizin.

 

... eine Behandlungsmethode

Auf der Grundlage der psychoanalytischen Entwicklungs- und Persönlichkeitstheorie sowie der Bedeutung zentraler Beziehungserfahrungen für unsere Entwicklung und unser psychisches Funktionieren hat die Psychoanalyse Konzepte entwickelt, wie psychogene Erkrankungen durch ungelöste, unbewusste, innere Konflikte entstehen und aufrechterhalten werden. Psychische Erkrankungen sind mit großem Leid verbunden. Dabei entspringt die ständige Wiederholung von scheinbar sinnlosem Verhalten und Erleben meist einem unbewussten Selbstheilungsversuch von noch schlimmeren inneren Nöten und Konflikten.

Dieses psychische Leid kann in der Regel erheblich gebessert werden im Rahmen einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Patientinnen oder Patienten und ihren Therapeutinnen oder Therapeuten. Nicht selten braucht es Zeit, das Not-wendende Vertrauen erst zu entwickeln, um dann in einem offenen Austausch die dramatischen und leidvollen, emotionalen Aspekte der eigenen Konflikte und Beziehungserfahrungen erneut zu durchleben, um sie durch - hoffentlich - wichtige neue und befreiende Erfahrungen und Erkenntnisse zu verändern. Das ist zunächst auch anstrengend und belastend. Ähnlich wie beim Erlernen eines Musikinstrumentes oder einer neuen Bewegungsfolge im Sport, reicht es oft nicht, das Neue und Befreiende nur ein einziges Mal zu erleben, sondern es braucht mehrere Wiederholungen. Deshalb hat die Psychoanalyse angepasst an das jeweilige Krankheitsbild und die Schwere der Beeinträchtigung ganz verschiedene Behandlungsverfahren entwickelt, die von Kurztherapien über wenige Stunden bis hin zu längeren oder sogar mehrjährigen Behandlungen reichen, die nicht nur in der s.g. klassischen Form liegend auf der Couch ( 2-4 x / Woche) stattfinden sondern auch abgewandelt im Gegenübersitzen (1-2 x/ Woche) oder als Gruppen-, Paar- und Familientherapie.

 

... eine Kulturtheorie

Da die Psychoanalyse eine Theorie über uns (oder den?) Menschen und seine inneren und äußeren Konflikte ist, lassen sich ihre Entdeckungen auch verwenden, um alle Formen der Kultur und Kunst im Licht der Psychoanalyse zu beleuchten und sie kann unser Verständnis all dieser künstlerischen und kulturellen Produktionen ergänzen und erweitern. Dabei geht es nicht nur um psychoanalytische Interpretationen von Literatur, Theater, Oper oder Film sowie Malerei und bildender Kunst, sondern auch um unser Verständnis der Bedeutung der Religionen für den Menschen oder das Verständnis von wirtschaftlichen und politischen Prozessen und Organisationsformen bis hin zum Erfassen von Großgruppenprozessen in Demonstrationen, Fußballstadien oder im Krieg und nicht zuletzt um das Verständnis der Entstehung von Straftaten oder Gewaltanwendungen im öffentlichen Raum.